Bericht | 19. Dezember 2023

Forum Fachvokabulare: Terminologie-Entwicklung und Vernetzung mit Referenzvokabularen

Von Dr. Ksenia Stanicka-Brzezicka

Schlingengewölbe des Stadtratsitzungssaals des Rathauses in Lwówek Śląski (Löwenberg)

Schlingengewölbe

"Stadtratsitzungssaal des Rathauses in Lwówek Śląski (Löwenberg)" CC BY SA 3.0. DE Autor:in: Stefan Arczyński 1970, Besitzer:in: Herder-Institut für historische Ostmitteleuropaforschung

Am 30. November 2023 fand online im Rahmen von NFDI4Culture das Forum Fachvokabulare: Terminologie-Entwicklung und Vernetzung mit Referenzvokabularen statt. Ein Anlass für das Forum war der Abschluss der im NFDI4Culture-Arbeitsbereichn TA 2 (Standards, Datenqualität und Kuratierung) angesiedelten Aufgabe zur „Vernetzung Multilingualer Vokabulare“, die 2021–2023 am Herder-Institut für historische Ostmitteleuropaforschung – Institut der Leibniz-Gemeinschaft durchgeführt wurde. Am Forum nahmen 84 Personen teil, die einer Vielzahl von Fachgebieten und Institutionen angehörten, darunter auch anderen NFDI-Konsortien (NFDI4Objects, NFDI4Memory).

Das Forum befasste sich mit der Rolle und Bedeutung von Thesauri und Referenzvokabularen für kulturwissenschaftliche Dokumentationsarbeit und Projekte. Der Fokus lag vor allem darauf, wie lokal erstellte, fachspezifische Vokabulare mit internationalen Referenzvokabularen verknüpft (gemappt) werden können. Die Veranstaltung und die gesamte Arbeit reagieren auf die aktuellen Entwicklungen und Desiderate, denn die Bereitstellung von Terminologien und die Interoperabilität von Vokabularen sind heutzutage, insbesondere im Kontext des vernetzten Informationszugangs zu heterogenen Datenquellen, von zunehmender Bedeutung. Es besteht ein dringender Bedarf an Lösungen zur Verbesserung der Leistung von Volltextsuchsystemen und zum Aufbau kontrollierter Terminologie-Systeme für die Verwendung in strukturierten Daten, einschließlich Metadaten.

Für die Dokumentation des Kulturerbes spielt als etabliertes Referenzvokabular der angloamerikanische Art and Architecture Thesaurus des Getty Research Institute eine wichtige Rolle. Das Mapping darauf wurde vom Herder-Institut innerhalb von NFDI4Culture als Pilotvorhaben durchgeführt. Als Labor für diese Maßnahme diente der Material Culture Thesaurus (MCT), der gemeinsam vom Deutschen Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte - Bildarchiv Foto Marburg (Philipps-Universität Marburg) und dem Herder-Institut entwickelt, mit Inhalten gefüllt und gepflegt wird.

Daher eröffnete ein Bericht von Ksenia Stanicka über Herausforderungen des Mappings und der gemeinsamen Terminologie-Entwicklung die Veranstaltung. Dabei wurden verschiedene Aspekte beleuchtet: von der intellektuellen Qualität des Mappings über die Einbettung von Begriffen in unterschiedliche Hierarchien, Mehrsprachigkeit und unterschiedliche Wissenskonzepte in verschiedenen Regionen oder Fachgebieten bis hin zu technischen Funktionalitäten.

Im zweiten Impulsvortrag stellte Sławek Brzezicki vom Herder-Institut die aktuellen Entwicklungen im Projekt „Dehio Ostmitteleuropa“ vor, das seit 2019 ein Konzept zur webbasierten Präsentation der Inhalte und zur Anbindung von Kontextinformationen für das Handbuch der Kunstdenkmäler von Georg Dehio umsetzt. Das Projekt verwendet föderierte Thesauri einschließlich des MCT als Teil seiner Erfassungsstrategie. Der Vortrag konzentrierte sich auf die Rolle von Thesauri beim Aufbau einer Wissensinfrastruktur und ging besonders auf Aspekte wie Standardisierung, Information Retrieval und Data Mining ein. Besondere Aufmerksamkeit wurde der Behandlung größerer Mengen von Bezeichnungsvarianten und Komposita gewidmet, die in die gemeinsame Verwaltung von Suchbegriffsvarianten im MCT einfließen.

Anschließend stellte Hanna-Lena Meiners vom Deutschen Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte - Bildarchiv Foto Marburg (DDK) die Herausforderungen und Besonderheiten bei der Integration von Normdaten zu Bauwerken und neuen Sachschlagwörtern in die Gemeinsame Normdatei (GND) im Rahmen der am DDK angesiedelten GND-Pilotagentur Bauwerke vor. Die Referentin beleuchtete verschiedene Aspekte der historisch gewachsenen Vergabepraxis in der GND und die damit verbundenen Fragen bei der Integration von neuen Normdatensätzen. Denn die Aufbereitung der Daten nach den Eignungskriterien der GND erfordert umfangreiche Vorarbeiten: Dazu gehört das Matching von Sach- und Ortsbegriffen mit GND-Sachschlagwörtern und -Geografika ebenso wie die Bereinigung der Namensansetzungen der Bauwerke. Besondere Herausforderungen ergeben sich auch bei Funktionsänderungen von Gebäuden, die bislang nur freitextlich in der GND abgebildet werden können.

Der letzte Vortrag war dem Subportal Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten (CCC) der Deutschen Digitalen Bibliothek gewidmet. Die Vortragenden, Romy Köhler und Lisa Quade von der Deutschen Digitalen Bibliothek/Stiftung Preußischer Kulturbesitz Berlin, diskutierten Möglichkeiten und Grenzen der Vernetzung von LOD-Vokabularen im Anwendungsprofil CCC. Das Portal unterstützt die Aufarbeitung der Kolonialgeschichte aus musealer Perspektive, die Schaffung von Transparenz über die Bestände sowie die Einbindung des Wissens und der Perspektiven der Herkunftsgesellschaften der betroffenen Länder in die Provenienzforschung. Im Einzelnen wurden vor allem Herausforderungen und Lösungsansätze zu zwei Aspekten beleuchtet: Die ereignisorientierte Darstellung der Ergebnisse von Provenienzforschung und die Verwendung von kontrollierten Vokabularen.

In der abschließenden Diskussion wurden verschiedene Probleme deutlich angesprochen, wie z. B. die Erweiterungsmöglichkeiten der LIDO-Terminologie, die Beziehung zwischen Ontologie bzw. Datenmodell und der verwendeten standardisierten Terminologie, die Rolle der Qualitätskontrolle, der Mangel an Standardisierung, nicht deckungsgleiche Bedeutungen von Begriffen und der Umgang mit regionalen Varianzen im terminologischen Sprachgebrauch.

Die Veranstaltung verdeutlichte die komplexe und entscheidende Rolle von Thesauri und Vokabularen für die geisteswissenschaftliche Forschung und unterstrich die fortwährende Notwendigkeit einer präzisen, aber auch flexiblen Handhabung von Begriffssystemen für eine effektive Zusammenarbeit und den Wissensaustausch in der Community.

Material zur Veranstaltung (Präsentationen und Protokoll): https://cloud.nfdi4culture.de/s/CZ6YGPL4yR7nf73